Schalten Sie aus!

Leichter leben dank des ‘Flugmodus’

Zittrig und auch ziemlich blass sitzt die junge Frau mir gegenüber. Ihre Körperhaltung, ihre müden Augen, ihr schmales Gesicht, all das untermalt, was sie am Telefon mir schon sagte:

Ich brauche Hilfe!

Eine schlaflose Nacht habe sie hinter sich. Nicht die erste. Es gäbe da Stress mit einer andren Person. “Mitten in der Nacht ruft die an und will mit mir reden. Zum hundertsten Mal dasselbe diskutieren. Sie hat zwei geschlagene Stunden auf mich eingeredet, obwohl ich todmüde war. Nachher war ich dann wach. Ich schlief dann erst gegen 4 ein.” “Soso, mitten in der Nacht werden Sie angerufen” murmle ich …

Nun bin ich ein älteres Semester. Meine Jugend fand im 20. Jahrhundert statt, zu einer Zeit, als wir noch dachten, ein “Hendi”, das sei ein Tier mit zwei Beinen, zwei Flügeln und einem Schnabel. Und am Sonntag landet hin und wieder eines auf unserem Tisch. Man könnte mich durchaus altmodisch nennen.  Also dauerte es einige Zeit, bis ich den technisch bedingten Hintergrund dieser Geschichte meiner Klientin in ihrem vollen Umfang verstand.

Natürlich gibt es einen Beziehungsaspekt dabei – den Konflikt mit einer anderen Person – doch von dem soll hier weniger die Rede sein.  Denn was mich auch interessiert an Geschichten wie dieser – ich höre sie oft – und was ich dann auch gerne frage, ist:  “Weshalb, um Himmels willen, schalten Sie Ihr Handy nicht aus?”  und:  “Was brauchen Sie, um STOPP sagen zu können?”

STOPP!

zu sagen, ist eine ziemlich gute Methode, um für seine Bedürfnisse zu sorgen.

Nun bin ich ja auch nicht vor Unbill gefeit und manchmal gar nicht in der Lage gut für mich zu sorgen – doch überraschenderweise beherrsche ich eines recht gut, und es ist einer der wenigen Ratschläge, die ich meinen KlientInnen gebe:

Probieren Sie es mal mit dem Flugmodus!

Schalten Sie Ihr Handy aus!

IMG_3498Ich habe nichts gegen Handys. Auch nichts gegen Computer. Nicht mal gegen Facebook, Twitter & Co habe ich was. Wirklich nicht. Ich benütze all dieses Zeug selber. Ich schreibe in diesem Blog (wenn auch zu selten, nach meinem Geschmack … aber es wird schon). Ich sitze nahezu täglich am Computer und schreibe Geschichten oder arbeite an anderem Zeug. Und manchmal wird es wirklich spät.

Aber wenn ich schlafen gehe, spätestens dann schalte ich die Geräte aus.

Psychotherapie Bettina ReinischIn der Nacht ist mein Handy im “Flugmodus”. Ich gehe davon aus, diese Einstellung wird so genannt, weil sie garantiert, dass ich ungestört in Morpheus Armen davonfliegen kann und Zeit und Ruhe habe zum Träumen.

Und vielleicht glauben Sie es nicht, denn es mag ungeheuerlich klingen: Oft schalte ich mein Handy auch untertags aus.

Zum Beispiel wenn ich mich mit einer anderen Person  unterhalte, dann schalte ich das Handy zumeist einfach aus. Wer mich erreichen will, kann gerne auf meine Mailbox sprechen.

Wenn ich jüngeren Menschen von diesem “Flugmodus” erzähle, schauen mich die meisten ungläubig an.

  • “Muss ich nicht immer erreichbar sein?”
  • “Was denken meine Eltern, Freundinnen, Nachbarn, wenn ich nicht erreichbar bin?”

bis zu (die absolute Steigerung aus meiner Sicht):

  • “Nein, das geht nicht, da macht sich meine Mutter Sorgen, wenn ich nicht erreichbar bin!”

Seufzend lehne ich mich zurück und denke wehmütig an jene Zeiten, als meine Eltern sich leise beschwerten, als ich mich nach zwei Wochen Pause wieder mal bei ihnen meldete. Und ich frage mich: Was macht sie mit uns, diese ständige Erreichbarkeit?

Es sind ja nicht nur die StudentInnen, die mir das erzählen. Sondern auch Menschen, die in Büros tätig sind, im Auftrag ihrer Firma um die halbe Welt reisen, oder selbst Firmen führen.

“Ich MUSS erreichbar sein! Und zwar IMMER!”

“Auch in der Nacht?”

“Naja”, sagen sie, manche von ihnen zögernd. “Eigentlich …”

Ich würde das nicht ertragen.

Und wie ist das für Sie?