Zum Leben erweckt

Psychotherapie hilft.

Weshalb ich das glaube?
Zum Beispiel, weil gestern eine Klientin am Ende einer Sitzung sagte:

“Zum Leben erweckt – so fühle ich mich!”

Welch schöneres Geschenk kann mir eine Person machen, als diesen Satz auszusprechen!

Gestern, am Ende einer Therapiestunde, hörte ich ihn. Die Frau, die mir gegenüber  saß – so wie immer bei mir, saß sie sehr aufrecht im Sessel – strahlte mich an und sagte dann noch: “Das dürfen Sie ruhig auf Ihre Homepage schreiben!” Mit glänzenden Augen sah sie mich an, als ich jedoch vor Freude und Überraschung ganz still war, fragte sie: “Oder klingt das zu kitschig, wenn ich das so sage?”

Kitschig finde ich das nicht. Im Gegenteil berührt es mich sehr, wenn mir jemand so etwas sagt. Natürlich könnte man meinen, es sei übertrieben. Schließlich hatte die Frau ja schon vorher gelebt. Doch sie fühle sich, erklärte sie mir, irgendwie “neu und lebendig” – und das kann ich auch nachvollziehen, denn das habe ich ja in unserer Zusammenarbeit auch mitgekriegt – wie sie von einer Sitzung zur nächsten immer lebendiger wurde, ihre Stimme lauter wurde, wie sie heute entschiedener spricht und ihr Leben neu in die Hand nimmt. Mit mehr Entschlossenheit. Mit großem Elan. Es ist schön, das mitzuerleben.

Und sie war nicht jahrelang bei mir in Therapie, übrigens. Wir kennen einander noch gar nicht sehr lange.

Gerade als ich mich von der Überraschung erholte hatte (ja, es gibt auch so etwas wie positive Schocks – dieser Satz meiner Klientin löste einen kleinen Schock bei mir aus und deshalb brauchte ich ein paar Sekunden “Erholungszeit”) – also gerade als ich mich davon erholt hatte, erklärte sie in einem Bild, was sie meinte:

“Wissen Sie, ich fühle mich wie ein Küken, das aus dem Ei geschlüpft ist. Und ich hab’ endlich verstanden, dass ich es bin, die die Eierschale aufpecken muss. Niemand wird von draußen kommen und die Eierschale, die mich umgibt, aufpecken. Das muss ich schon selber tun! Und ich habe es getan, in den vergangenen Monaten. Und wissen Sie, was jetzt das Beste dran ist?”

“Erzählen Sie, bitte!” bat ich sie, denn ich wollte das natürlich gern hören.

“Das Beste ist: Jetzt bin ich geschlüpft und alle scheinen sich darüber zu freuen! Meine Familie scheint begeistert zu sein. Alle scheinen sich zu freuen, dass ich da bin!”

Es ist sehr leicht für mich, mir vorzustellen, wie sauwohl sie sich fühlt.
Nein, ich sollte wohl schreiben: wie kükenwohl sie sich fühlt.

Bettina Reinisch Psychotherapie

Entenküken

Und kitschig ist anders. Finden Sie nicht?