Wozu Psychotherapie?

Jeder Mensch braucht Empathie

Was habe ich als Klient oder Klientin davon, wenn ich zu Ihnen komme, Frau Reinisch? fragte mich kürzlich eine Klientin im Erstgespräch.

Worauf ich sinngemäß folgendes antwortete:

“Sie haben hier bei mir die Möglichkeit, laut über sich nachzudenken. Bei diesem Nachdenkprozess werde ich Sie begleiten und Ihnen Fragen stellen, die dazu dienen, dass Sie beginnen, sich selber zuzuhören.”

“Mir selber zuzuhören? Wie soll das denn funktionieren?” fragte sie mich mit erstauntem Blick.

“Das funktioniert wie von selbst, weil ich Sie darauf aufmerksam mache. Sie werden mit der Zeit dem unaufhörlichen Gedankenfluss zuhören”, antworte ich, “der in jedem von uns fließt. Wie ein Tonband ohne Ende, wie ein Radiosender ohne Unterbrechung – endlos. Sobald Sie aufwachen, geht das los.”

“Aha”, sagte sie, und es folgte ein lang gezogenes “Okay … das verstehe ich … diese Stimme in mir … Sie sprechen von jener Stimme, die jetzt gerade gesagt hat ‘Welche Stimme meint Sie?'”

Ich lachte. “Ja, genau, diese Stimme habe ich gemeint. Die jeder von uns in sich trägt.”

“Mhm”, sagte sie, “aber was bringt das, wenn ich dieser Stimme mehr zuhöre?”

“Es bringt”, antwortete ich, “dass Sie beginnen, auf Ihre Gedanken zu achten, zu bemerken, wie Sie denken und was Sie denken. Es bringt Ihnen eine Verbesserung der Selbstempathie.”

“Okay”, sagte meine neue Klientin, “und was bringt mir das, wenn ich mehr Selbstempathie entwickle?”

“Sie werden mit der Zeit besser verstehen, warum Sie dies oder jenes tun oder nicht tun, was Sie eigentlich wollen, ob Sie oft Dinge tun, die Sie nicht wollen. Und erfahrungsgemäß hilft das, ihrem Leben eine befriedigendere Richtung zu geben.”

Zum ersten Mal lächelte die junge Frau.  Dann sagte sie leise: “Das wäre nicht schlecht. Wenn ich endlich heraus finden würde, was ich WIRKLICH will. Wenn ich meinem Leben eine befriedigendere Richtung geben könnte. Und sagen Sie … könnte es auch sein, dass ich dann auch mehr Verständnis für andere entwickle, wenn ich mehr – wie nannten Sie das?”

“Empathie”

“Ja, wenn ich mehr Empathie für mich entwickle?”

“So ist es”, sagte ich. “Erfahrungsgemäß führt eine Verbesserung der Selbstempathie auch dazu, dass wir andere besser verstehen – und unsere Beziehungen befriedigender gestalten können.”

“Das klingt gut”, sagte sie. “Ja, das gefällt mir.”

Empathie

ist ein zentraler Begriff in der Personzentrierten Psychotherapie, in der ich “zu Hause” bin. Die Therapeutin bzw. der Therapeut begegnet dem oder der KlientIn empathisch. Empathie bedeutet in etwa “einfühlendes Verstehen”. Es geht darum, nicht die Inhalte des Gesagten mit dem Klienten zu diskutieren, sondern die Bedeutung des Gesagten zu verstehen – und damit dem Klienten selbst verständlich zu machen. Erfahrungsgemäß hilft es uns Menschen, wenn wir die Chance bekommen, uns selbst besser zu verstehen.